5+1 Fragen an Martin Binder über seinen Entwurf „Hausbau. Eine Spurensuche“
Martin Binders Entwurf „Hausbau. Eine Spurensuche“ konnte den vom Land Berlin ausgeschriebenen Kunst am Bau-Wettbewerb für das Bauhaus-Archiv / Museum für Gestaltung für sich entscheiden. Zeit für 5+1 Fragen an den Künstler, der uns mehr zu seinem Vorhaben erzählt.
Herzlichen Glückwunsch, Martin Binder! Dein Entwurf wurde aus allen zwölf Einreichungen mit dem ersten Rang ausgezeichnet und „vom Preisgericht zur Realisierung empfohlen“. Was bedeutet das?
Das Preisgericht hat sich darauf geeinigt, dass mein Entwurf ausgeführt werden soll. Die „Realisierungsempfehlung“ bedeutet aber auch, dass da noch viel offen ist. Das ist ein gängiger Begriff im Bereich Kunst am Bau. Jeder Wettbewerb endet mit so einer Realisierungsempfehlung. Das klingt vielleicht erstmal merkwürdig technisch oder nach Fachjargon – ist es vielleicht auch – aber klar: In meinem Entwurf ist noch viel offen – und das ist genau das Spannende daran. Die Jury hat mir mit ihrer Entscheidung den Auftrag gegeben, das Projekt anzugehen und den Entwurf umzusetzen. Noch ungewiss ist, wie es dann am Ende aussieht und wo die Bilder für meine Arbeit entstehen.
Für deinen Entwurf „Hausbau. Eine Spurensuche“ muss ein sehr großer Baum fotografiert werden. Wie wird so etwas gemacht?
Dafür hoffe ich natürlich erstmal, den Ort zu finden, wo das Fichtenholz für den Turm herkommt. Vermutlich eine Fichten-Monokultur, irgendwo in Europa beziehungsweise Osteuropa – das weiß ich noch nicht genau und das ist damit Teil der Ausarbeitung des Projekts. Überhaupt herauszufinden, wo die Materialien für den Neubau des Bauhaus-Archivs eigentlich herkommen, wird der erste Schritt sein.
Um den Baum zu fotografieren, wird dann mit zwei Hebebühnen ein Textil hinter den Baum gespannt, sodass er wie vor einer Leinwand steht. Dann fotografiere ich ihn abschnittweise mit einer Drohne, damit ich keine perspektivische Verzerrung in der Fotografie habe. Ich versuche, die Fichte wirklich pro Stockwerk des Turms zu fotografieren, in dem sie zu sehen sein soll. Deswegen soll der Baum genauso hoch sein wie das Gebäude. Am Ende setze ich die Abschnitte zu einem Gesamtbild zusammen und verteile es über die Etagen.
Mittlerweile hat sich das Verständnis der Ausdrucksformen und davon, was Kunst am Bau sein kann, geändert. Es geht nicht mehr „nur“ um Skulptur oder Mosaik. Ich bin auch Teil der Fachkommission für Kunst im öffentlichen Raum des bbk (Berufsverband Bildender Künstler*innen) in Berlin. Kunst am Bau dient nicht zuletzt dazu, freien Künstler*innen Arbeit zu verschaffen. Kunst am Bau gilt in der Öffentlichkeit vielleicht nicht als das sexieste Berufsfeld, aber man kann da wirklich tolle Sachen machen – man muss nur wissen, dass es das überhaupt gibt.
Thema Nachhaltigkeit: Zur Eröffnung der Wettbewerbspräsentation hast du über deine Motivationen gesprochen, deinen Entwurf einzureichen. Kannst du uns hierüber mehr erzählen?
Gerne! In meiner Arbeit und für mich generell ist das ein ganz prägendes Thema. Mittlerweile ist uns klar, dass wir begrenzte Ressourcen haben, dass unser Planet Grenzen hat. Zur Zeit des Bauhauses hat man tatsächlich neue Techniken, neue Technologien, neue Materialien erschlossen – und war erstmal nur auf Fortschritt bedacht. Umweltbewusstsein war kein Thema. Deshalb war es für mich interessant, den hohen Ressourcenverbrauch dieses Gebäudes in den Fokus zu stellen. Bei der Begehung der Baustelle habe ich mich gefragt, wie Bauhäusler*innen heute progressiv an dieses Bauprojekt herangegangen wären. Ich stelle mir vor, wie Besucher*innen im Turm stehen und sich denken „Krass, diese Platte aus industriellem Holz – das war mal ein Baum!“.
Unsere Direktorin Annemarie Jaeggi hat im Rahmen der Eröffnung eine Besonderheit von Kunst am Bau für museale Einrichtungen hervorgehoben: Die Arbeit wird nach seiner Umsetzung Teil der Sammlung und ist gleichzeitig das einzige Werk, das nicht irgendwann im Depot verschwindet. Ist das für dich eine Ehre oder auch eine Verantwortung?
Beides! Das ist eine Riesenehre. Ich habe selbst Design studiert, weswegen das Bauhaus für mich eine große Ikone ist. Dass meine Arbeit dieses Gebäude prägen und begleiten wird, ist eine Ehre. Eine große Verantwortung ist es, weil die Arbeit dadurch für lange Zeit funktionieren muss, ohne an Aktualität zu verlieren. Sie wird hoffentlich Generationen von jungen Gestalter*innen prägen, motivieren, und vielleicht auch dazu anstoßen, unsere Welt unter ökologischen Faktoren in ihrer eigenen Arbeit zu berücksichtigen.
Was wünschst du dir für den Umgang des Bauhaus-Archivs mit deinem Kunstwerk?
Ich wünsche mir, dass mein Kunstwerk Teil des Lebens und Arbeitens am Bauhaus-Archiv wird. Dass es auch in die Vermittlungsarbeit im Turm einbezogen wird. Ich glaube, da bieten sich gute Anknüpfungspunkte. Den Hauptteil der Arbeit bilden drei Filme. Sie veranschaulichen, woher die Materialen für den Bau kommen. Denn wenn wir heute ein Gebäude bauen, dann geht damit eine Verantwortung einher. Davon ausgehend lassen sich ganz große Rahmen aufspannen und vielfältige Zusammenhänge knüpfen. Kurzum: Ich wünsche mir, dass mein Kunstwerk genutzt wird und die Menschen, die am Bauhaus-Archiv arbeiten, mein Kunstwerk wertschätzen und als relevant empfinden.
Das Bauhaus-Archiv verfügt über die weltweit umfangreichste Sammlung zum Bauhaus. Wir haben ein Bild aus der Sammlung ausgesucht – was fällt dir spontan dazu ein?
Ich sehe eine Figur, die sich aus unterschiedlichen hölzernen Formen zusammensetzt. Es sieht nach Bewegung aus, sehr dynamisch. Es ist ein lustiges kleines Kerlchen, mit einem kleinen Hut – und ich weiß gar nicht, mit was es da hantiert. Auf jeden Fall spaßig und dynamisch, in der Bewegung eingefangen. Positive Emotionen!