5+1 Fragen an … Jana Sgibnev und Eugenia Sinatti zum bauhaus infinity archive
Nur die wenigsten Objekte aus der umfangreichen Sammlung des Bauhaus-Archiv / Museum für Gestaltung konnten bisher ausgestellt werden – es gibt aber sehr viele digitale Bilder von ihnen. In Zusammenarbeit mit dem Berliner Designbüro ART+COM Studios entwickelte das Team des Bauhaus-Archivs die Installation bauhaus infinity archive, die seit Anfang 2022 im temporary bauhaus-archiv zugänglich ist. Zeit also für 5+1 Fragen an Projektleiterin Jana Sgibnev und Software-Entwicklerin Eugenia Sinatti von ART+COM Studios.
Eugenia, Jana, das bauhaus infinity archive nutzt die Software Image Garden, zu deutsch Bildergarten. Was ist das?
Image Garden ist eine Toolbox, die auf Künstlicher Intelligenz basiert, um große, digitale Bildersammlungen zu kuratieren. Das Programm sortiert Bilder nach ihrer visuellen Ähnlichkeit, beim bauhaus infinity archive sind beispielsweise alle Porträts in einem Bereich verortet und alle Abbildungen von ähnlichen Stühlen in einem anderen. Mithilfe des Image Garden kann die Sammlung nach Bildern einer bestimmten Farbe oder durch das Zeichnen einer Linie durchsucht werden: Es werden dann alle Bilder angezeigt, in der sich diese Farbe bzw. diese Linie, oder ein Teil der Linie, wiederfindet.
Image Garden ist auch ein Schritt in Richtung „Smart Exhibition“ oder „smarte Exponate“. Darunter ist ein individualisierter Zugang zu einer Ausstellung oder einem Exponat gemeint. Sie ersetzen quasi eine Führung, indem sie für die Besucher*innen Inhalte personalisiert hervorheben, die für diese interessant sind.
Was passiert da genau im Hintergrund des bauhaus infinity archive?
Die Bilder werden zuerst mittels eines Convolutional Neural Network vektorisiert, d.h. in eine geordnete Gruppe von Zahlen – ein sogenannter Vektor – übersetzt. Nachdem die Bilder vektorisiert wurden, wird der Algorithmus UMAP auf den Datensatz angewandt. Dieser sorgt dafür, dass jeder Vektor und daher jedes Bild eine Position im dreidimensionalen Raum erhält. In visuell ähnliche Gruppen sortiert, ergibt sich eine räumliche Darstellung von Bildern, welche die Besucher*innen im bauhaus infinity archive live erleben können.
Das hört sich kompliziert und ziemlich fortschrittlich an! Welchen Mehrwert und welche Grenzen hat denn Künstliche Intelligenz im Museumsbereich?
Der Mehrwert liegt darin, dass man schnell einen Überblick über die gesamte Sammlung bekommt. Das ist ein Vorteil für Wissensarbeiter*innen, beispielsweise Kurator*innen, weil die Arbeit an einer Sammlung mithilfe einer visuellen statt textbasierten Suche neue Möglichkeiten eröffnet. So führt der Image Garden zu bisher verborgenen Sammlungbeständen, die aufgrund falscher oder ungenügender Metadaten in der Datenbank sonst unauffindbar wären.
An die Grenzen stößt man schnell bei den Datensätzen, vor allem bei hoch aufgelösten Bildern: Um mit KI arbeiten zu können, braucht man für die nötigen Rechenleistungen einen sehr leistungsfähigen Computer. Außerdem folgt KI einer Logik, die für optimale Ergebnisse manuelle Vorarbeit benötigt. Wir hatten damit zu kämpfen, dass der uns zur Verfügung gestellte Datensatz des Bauhaus-Archivs viele Dubletten enthielt, die in der Datenbank so nicht sichtbar waren. Die mussten wir erstmal in Handarbeit ausfindig machen. Auch haben uns die Farbstreifen zur Drucklegung, die sich auf vielen Abbildungen finden, Probleme bereitet. Die KI kann natürlich nicht unterscheiden, ob dieser Farbstreifen Teil der Kunst oder etwas anderes ist.
Kann die „Kuratier-Maschine“ in Zukunft Funktionen im Museum übernehmen, die momentan noch Menschen ausüben?
Das menschliche Denken ist immer noch schwierig zu reproduzieren. Aber die „Kuratier-Maschine“ könnte auf jeden Fall beim Kuratieren helfen, vor allem bei der Sortierung von großen Bildmengen. Der Image Garden bietet Archivar*innen, Kurator*innen oder Museolog*innen einen anderen Zugang zur Sammlung und lässt sie über die immer wieder angefragten Highlights der Sammlung hinausschauen. Vom Schreibtisch aus ist so ein Blick auch in den hintersten Winkel des Archivs möglich – natürlich nur, wenn dieses digitalisiert ist!
Auch ist das Kuratieren eine komplexe Angelegenheit, die weit über das Auffinden visueller oder statistischer Ähnlichkeiten hinausgeht. Die KI kann nur Dinge auslesen, die entweder in den Metadaten genannt werden oder per Algorithmus auffindbar sind. Auf die Dauer würden von einer KI kuratierte Ausstellungen doch sehr langweilig werden.
Was hat euch bei der Arbeit mit der Sammlung des Bauhaus-Archivs besonders überrascht?
Eugenia: Die unerwartete Anzahl von Fotos, die die Menschen des Bauhauses in ihrem Alltag zeigen.
Jana: Die Bilder von den Familien der Bauhäusler*innen. Und wie viel Spaß die Leute am Bauhaus hatten, die ganzen verrückten Verkleidungen oder Posen. Die Freude in manchen Fotos ist einfach ansteckend!
Das Bauhaus-Archiv verfügt über die weltweit umfangreichste Sammlung zum Bauhaus. Wir haben ein Bild aus der Sammlung ausgesucht und ihr dürft wild drauflos fantasieren, was euch dazu einfällt!
Jana: Ich stelle mir vor, wie jemand mit der Nagelschere diese einzelnen Bildchen ausgeschnitten und aufgeklebt hat. Dazwischen kann man sich sehr viele Gedanken über Komposition machen. Ein meditativer Prozess.
Eugenia: Das Bild zeigt für mich die Verbindung zwischen Menschen und Architektur und wie unterschiedlich die Tiefe ist, mit der man diese reflektieren kann.
ART+COM Studios gestalten und entwickeln analoge und digitale Installationen, Objekte und Räume mit neuen Medien, darunter das bauhaus infinity archive in Zusammenarbeit mit dem Bauhaus-Archiv. Jana Sgibnev verantwortet als Leiterin das Projekt bei ART+COM Studios, ihre Kollegin Eugenia Sinatti ist als Software-Entwicklerin für den technischen Part zuständig.
Mehr Informationen zum bauhaus infinity archive finden Sie hier.