„Ich suche etwas, das eine Frage durch Raum und Zeit katapultieren kann“
Bitte vervollständige den Satz: Das Bauhaus ist für mich …
… ein wichtiger Bezugspunkt seit meinem Studium. Ich konnte da sehen, wie unterschiedlich der Blick auf das Bauhaus in meinen Studienfächern Grafik-Design, empirische Kulturwissenschaften und Kunstgeschichte war: Eine sehr schillernde, kontroverse Institution, von der man sich distanziert hat, die man aktualisiert hat, an dem man aber auf jeden Fall nicht vorbeikam.
Du beschäftigst dich schon lange mit dem Bauhaus. Wie bleibt das Thema bis heute für dich inspirierend?
Vor allem über die Frage, was Menschen zu der Zeit veranlasst hat, diese Schule zu gründen und dort lernen zu wollen. Das Bauhaus war Schule, aber auch Produktionsstätte, und es hatte Vorgängerinstitutionen und wirkte nach seiner Schließung an vielen Orten der Welt weiter. Die Forschung dazu ist sehr weit verästelt und ich recherchiere einfach unheimlich gern. Mich interessiert, wie akademisch zum Bauhaus geforscht wird, aber eben auch, was heutige Ideale in der Bildung von Kindern und Erwachsenen sind. Und dann bleibt ganz generell die Frage, wie und ob man in einer Gesellschaft, die lebenslanges Lernen, Selbstoptimierung und Gestaltung von allem und jeder und jedem ständig einfordert, durch eine andere Nutzung von Technologien und durch gestaltendes Handeln zu community building und Empowerment beitragen kann. Die Antworten darauf, womit wir heute und hier konfrontiert sind – Care-Krise, Plattformkapitalismus, Klimawandel etwa – kann uns das Bauhaus nicht geben, aber der Anspruch, durch Kunst und Design gesellschaftsverändernd zu wirken, bleibt ja bestehen.
Wenn wir uns auf einer Zugfahrt kennenlernen würden, wie würdest du deinen Beruf erklären?
Ich arbeite freiberuflich im Kulturbetrieb in verschiedenen Rollen, ich mache zum Beispiel Recherchen, Layouts, Übersetzungen, oder bereite Texte oder Bilder auf ihre Veröffentlichung vor in einer Publikation oder Ausstellung.
Wie gelingt es dir, immer wieder neue Ideen für die Konzepte der bauhaus_werkstatt zu entwickeln?
Es gibt eine Sache, die mache ich auf keinen Fall, nämlich in den großen Bastelladen bei mir um die Ecke gehen und durch die Regale schlendern. Das riesige Angebot von fertig aufbereiteten DIY-Projekte-Sets ist ja eine Art Gegenpol zu dem, was wir in der bauhaus_werkstatt versuchen. Ich stöbere stattdessen durchs Archiv und durch Publikationen und suche mir dort etwas, was wie ein Hebel funktioniert, also etwas, das eine Frage durch Raum und Zeit katapultieren kann. Viele der Bauhäusler*innen haben ja selbst unterrichtet und diese Aufgabe sehr ernst genommen, Friedl Dicker etwa, Gertrud Grunow, oder Anni Albers natürlich. Für mich ist es besonders reizvoll, dass wir in der Werkstatt diese verschiedenen Ansätze aufgreifen können und dass wir die Idee einer „Bauhaus-Pädagogik“ selbst zur Diskussion stellen können.
Was möchtest du den Teilnehmenden in deinen Workshops vermitteln?
Die Studierenden am Bauhaus hatten, wenn sie in den Vorkurs gestartet sind, teilweise schon eine Ausbildung oder eine künstlerische Praxis, oder eben auch nicht. Das ist in der Werkstatt auch unsere Basis, wir wollen eine Gelegenheit anbieten, sich einen neuen Weg zu suchen, wie man sich einem Material oder einer Frage nähern kann, und sich dabei vor allem auf seine Sinne zu verlassen. Trotzdem ist es mir wichtig, wenn ich eine Werkstatt vorbereite, dass so wenig wie möglich von der Vielschichtigkeit des Materials verloren geht – Ausschnitte zu zeigen, ohne auszuschneiden quasi. Das ist für mich auch jedes Mal eine gute Gelegenheit, meine eigenen Vorannahmen zu checken und nicht für die Teilnehmenden zu entscheiden, wie sie etwas bearbeiten, oder welche Informationen oder welche Werkzeuge für wen angemessen oder interessant sein könnten. Das funktioniert gut, weil wir Vermittler*innen im Team mit einer kleinen Gruppe arbeiten können.
Wie reagieren die Teilnehmer*innen auf diese Herangehensweise?
Ich muss sagen, dass ich die Großzügigkeit der Teilnehmenden in der Werkstatt sehr schätze. Viele kommen, bleiben dabei, lassen sich ein, kommen immer wieder. Es gibt jedes Mal Phasen totaler Konzentration im Raum, und Momente von angeregtem Austausch. Ich habe zuletzt eine Werkstatt vorbereitet zu den Bildern, die Anni Albers in den 1940er-Jahren von Knoten gemalt hat. Wir bieten dann einen kleinen Parcours an und haben verschiedene Stationen, wo man zeichnen, lesen, knoten, oder Videos schauen kann. Wir schicken vorweg, dass wir keine Knoten auswendig können und jetzt weder eine kunstwissenschaftliche Analyse von Albers‘ Bildern liefern werden, noch eine Einführung in die Knotentheorie der Mathematik. Stattdessen schauen wir zuerst einmal, ob und warum ein 3D-Rendering oder eine Fotoserie hilfreicher ist beim Knoten vermitteln und probieren aus, wie man Fäden am besten abbildet.
Was macht dir am meisten Spaß, wenn du einen Workshop leitest?
Da zu sein und zu schauen, was entsteht. Gastgeberin zu sein für einen Ausschnitt der riesigen Sammlung des Bauhaus-Archivs, und für die ganz unterschiedlichen Fragen und Interessen der Teilnehmenden in der Werkstatt kleine Anker anzubieten. Das geschieht ja immer sehr situativ, die Teilnehmenden bringen ihre Fragen mit, müssen sie aber nicht aussprechen oder sonst wie vorab in Form bringen. Sie dürfen einfach mit den Händen bearbeitet werden, oder dadurch, zuzuschauen, was die anderen so machen, oder indem man sich mal ganz allein in einen Ausstellungskatalog vertieft. Und ich persönlich freue mich auch immer, wenn ich Eltern sehe, die in der Werkstatt einfach mal kurz abschalten, während ihre Kinder sich beschäftigen.
Zum Abschluss: Für das zukünftige Bauhaus-Archiv wünsche ich mir …
… dass die neuen Räume für die Vermittlung von ihren Nutzer*innen so selbstbestimmt wie möglich bezogen werden können.