Die „Großsiedlung Siemensstadt“ wurde zwischen 1929 und 1931 gebaut. Sie gehört zu den sechs UNESCO Weltkulturerbe Wohnsiedlungen der Moderne in Berlin. Am Bau waren bedeutende Architekten des „Neuen Bauens“ beteiligt – darunter auch einige, die der Vereinigung „Der Ring“ angehörten. So entstand die weithin bekannte Bezeichnung „Ringsiedlung“.
Die Ringsiedlung entstand in direkter Nähe zum „Volkspark Jungfernheide“, eine Anlage von Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts. So wurde die Philosophie des Neuen Bauens Realität: die Forderung nach Licht, Luft und Sonne für Erholung und Gesundheit der Bewohner*innen.
Darum sieht man auch an allen Gebäuden Balkone, große Fenster und breite Vorgärten oder grüne Hofgestaltungen.
Architektur mit Motiven aus dem Schiffsbau
Wenn man sich vom heutigen U-Bahnhof Siemensdamm der Ringsiedlung nähert, gruppieren sich die Bauten von Hans Scharoun wie ein Tor zur Wohnsiedlung, links und rechts vom Jungfernheideweg. Scharoun spielte in vielen seiner architektonischen Werke mit Motiven aus dem Schiffsbau – so auch hier: Das langgestreckte Haus auf der linken Seite wird auf Grund seiner schiffsähnlichen Architekturanmutung im Volksmund ‚Panzerkreuzer‘ genannt. Abgerundete Balkonbrüstungen wirken wie eine Reling, Dachaufbauten wie Kommandobrücken und runde Fenster wie Bullaugen. Als Ausgleich zu dieser imposanten Inszenierung ist der Wohnblock gegenüber schlichter gestaltet: Die Fassade ist in einzelne Loggien aufgelöst und klar strukturiert. Nach Fertigstellung bezog auch Scharoun selbst eine Wohnung in diesem Wohnblock.
Gemeinschaftlich nutzbare Dachterrassen als Architekturkonzept
Der Jungfernheideweg führt im weiteren Verlauf unter der S-Bahnbrücke der Siemensbahn hindurch. Sie wurde in den Jahren vor dem Bau der Ringsiedlung errichtet, um Arbeiter*innen aus den Berliner Stadtteilen zu den Siemenswerken zu bringen. Ab hier reihen sich nun bis zum Park die von Walter Gropius entworfenen Wohnblocks auf beiden Seiten des Jungfernheidewegs.
An den Bauten fallen besonders die vertikal langgestreckten, industriell anmutenden Flurfenster auf, die vom Erdgeschoss bis in die oberste Etage reichen. Ein weiteres architektonisches Element sind gemeinschaftlich von den Bewohner*innen nutzbare Dachterrassen – ein weiteres Merkmal des Neuen Bauens mit dem Ziel, Gemeinschaftsorte für die Bewohner*innen zu schaffen.
Der „Lange Jammer“: 324 Meter und 25 Hausnummern
Ein weiteres bekanntes Wohngebäude der Ringsiedlung ist ein Wohnriegel von Otto Bartning – im Volksmund als „Langer Jammer“ bezeichnet. Er erstreckt sich über 324 Meter und 25 Hausnummern entlang der Goebelstraße. Nach Norden zur Straße hin wirkt er verschlossen und durch die ausgeprägte Länge monoton. Die schlichte Fassade lässt überwiegend Wirtschaftsflächen, Küchen und Bäder, erkennen. Zur Südseite verfügen die Wohnungen über Balkone und blicken auf eine parkähnliche Grünfläche.
Ateliers wichen gemeinschaftlichen Trockenräumen
Gegenüber des Langen Jammers stehen quer zum Straßenverlauf die neun Wohnriegel des Architekten Hugo Häring. Auffällig an ihnen sind die großen, überwiegend nierenförmigen Balkone und die Verkleidung der Fassade aus honigfarbenen Backsteinen. Die zur Ostseite gerichteten Rückseiten der Wohnriegel haben dagegen schmucklose, flächige Fassaden mit Fenstern von Küchen und Bädern. In der frühen Planungsphase waren noch Ateliers für Künstler*innen in den Dachetagen vorgesehen. Doch während der Bauzeit wurden stattdessen gemeinschaftliche Trockenböden für Wäsche realisiert.
Wohnungen mit Direktzugang zum umgebenden Grün
Die direkt gegenüber dem Jungfernheidepark liegenden Wohnblöcke sind von Paul Rudolf Henning. Auch hier kommt in der Fassade der honigfarbene Backstein im Wechsel mit verputzten Wandflächen zum Einsatz. Ein Blickfang sind die farblich unterschiedlichen Eingangstüren. Sie lockern die Ordnung auf und geben den Bewohner*innen Orientierung.
In einigen dieser Häuser haben die Wohnungen im Erdgeschoss direkten Zugang zu den Grünflächen.
Ladenflächen als Teil des Planungskonzepts
Den Abschluss der alten Ringsiedlung bilden in Richtung Goebelplatz die Wohnriegel von Fred Forbát. Ein besonders reizvolles Objekt ist der heute als „Infostation für das Kulturerbe Ringsiedlung“ genutzte rundum verglaste Gewerbeanbau aus rotem Backstein. Die Infostation ist Anlaufstelle für Architektur-Führungen sowie Ort für wechselnde Ausstellungen und Veranstaltungen.
Siedlungserweiterung in den 1950er Jahren
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Ringsiedlung noch einmal deutlich erweitert. Östlich des Goebelplatzes entstanden zahlreiche neue Wohnbauten von Hans Scharoun, unter anderem das eindrucksvolle neue Endstück des Langen Jammers von 1956. Auch hier tragen die schiffsähnlichen Architekturelemente eindeutig seine Handschrift.
Museumswohnung mit Panoramablick
Auch das Hochhaus am Goebelplatz hat Hans Scharoun im Rahmen dieser Erweiterung geplant. Auf einigen seiner Wohnbauten befinden sich in den obersten Etagen Atelierwohnungen mit großen nach Norden ausgerichteten Fenstern. In einem dieser Ateliers, am Heilmannring 66, arbeitete der Architekt selbst – seit der Fertigstellung bis zu seinem Tod 1972. In der Wohnung darunter wohnte er.
Das Scharoun-Atelier ist heute eine Museumswohnung und kann bei Führungen besichtigt werden.