„Museen sollten ihre Nachbarschaft ansprechen und Barrieren abbauen“
Bitte vervollständige: Für mich ist das Bauhaus…
… eine Fundgrube an Möglichkeiten!
Du hast schon sehr lange mit dem Bauhaus zu tun. Wie kommt es, dass diese Thematik dich bis heute begeistert?
Das Bauhaus fasziniert mich nach wie vor, weil ich immer wieder in ganz unterschiedlichen Konstellationen arbeite, beispielsweise in verschiedenen Schulen, Bildungseinrichtungen und Museen. Die Entwicklung neuer Themen und Formate wie Online-Workshops ist eine interessante Herausforderung für mich. Außerdem mag ich die persönliche Interaktion und den Austausch mit den Teilnehmenden an der bauhaus_werkstatt. Es ist so interessant zu sehen, was sie über die Workshops denken und was am Ende dabei herauskommt. Auch zu erfahren, was andere mit dem Bauhaus assoziieren und was für sie relevant ist, fasziniert mich immer wieder aufs Neue.
Was würdest du den Workshop-Teilnehmenden gern vermitteln?
Ich denke, es geht vor allem darum, Dinge auszuprobieren und zu experimentieren. Man kann etwas über die Materialien lernen, untersuchen, wie sie sich gegenseitig beeinflussen. Man kann sich selbst auf spielerische Weise kreativ ausdrücken. Dafür muss man auch nicht künstlerisch bewandert sein. Ich will zudem vermitteln, dass es okay ist, wenn mal etwas nicht gelingt. Für viele Menschen hat das Bauhaus eine besondere Bedeutung. Uns fällt auf, dass viele Besucher*innen eine persönliche Beziehung zum Bauhaus haben. In unseren Werkstätten und Projekten hören wir häufig Geschichten über Freunde und Familie wie: „Oh, mein Großonkel studierte bei …“ oder „Das Bauhaus hatte großen Einfluss auf mein Studium“ und manchmal auch „Zuhause habe ich auch so eine Lampe.“
Was hast du selbst aus deiner Arbeit im Bauhaus-Archiv mitgenommen?
Ich kann ein paar Beispiele nennen: Wir arbeiteten ein ganzes Jahr lang mit der Nelson-Mandela-Schule in Berlin. Die Schüler*innen kamen ins temporary bauhaus-archiv und wir experimentierten mit Aufgaben aus dem Vorkurs des Bauhauses. Diese Vorkurse wurden damals von Johannes Itten, László Moholy-Nagy und Josef Albers durchgeführt und dienten dazu, die individuellen Talente derjenigen auf die Probe zu stellen und zu fördern, die ein Studium am Bauhaus beginnen wollten. In unseren Workshops zeigte sich dann, was davon für die heutigen Schüler*innen noch relevant und spannend ist. Ich fand auch interessant, wie sie die Aufgaben auslegten. Das war der Ausgangspunkt für die Entwicklung neuer Workshop-Formate für Jugendliche und Erwachsene.
Im Rahmen unserer Zusammenarbeit mit dem White City Center, einem Museum in Tel Aviv, kam es zu einem Austausch mit der dortigen Abteilung für Kunsterziehung: Wir erarbeiteten gemeinsam eine Reihe von Aufgabenstellungen rund um die Bauweise vom Haus am Horn in Weimar. Die Aufgaben wurden so entwickelt, dass sie auch in anderen Situationen und nicht nur im Zusammenhang mit dem Haus am Horn benutzt werden konnten. So arbeiten wir auch immer wieder mit anderen Fachleuten der Bildung und Vermittlung zusammen. Ich nehme auch immer viele Ideen aus meiner Arbeit mit Kindergartenkindern mit, beispielsweise im Bauhaus_RaumLabor, einem Projekt in Zusammenarbeit mit dem Pestalozzi-Fröbel-Haus und Jugend im Museum e.V.
Das führt mich zu meiner nächsten Frage: Wie gelingt es dir, immer wieder neue Ideen für die bauhaus_werkstatt zu entwickeln?
Ich lasse mich von unseren Kooperationen und von den Teilnehmenden an den Workshops inspirieren, die uns Feedback geben. Außerdem sorgen das Team und die Leute, mit denen ich arbeite, für Denkanstöße. Wir haben eine gute Arbeitsatmosphäre und einen lebhaften Ideenaustausch. Das fördert den kreativen Prozess. Außerdem kommen mir Ideen oft bei Ausstellungsbesuchen. Vor ein paar Jahren war ich bei einer Ausstellung von Anni Albers in der Londoner Tate Modern. Dort sah ich Schmuck, den die Künstlerin aus Alltagsmaterialien wie Unterlegscheiben, Büroklammern und Korken gefertigt hatte. Daraus entwickelte ich für die bauhaus_werkstatt einen Workshop zum Thema Schmuck.
Das Bauhaus war eine Schule – daran anknüpfend lautet meine Frage: Was ist deine Lieblingsaufgabe aus der Schule und warum?
Es gibt ein Foto, das ich sehr mag und das wir häufig in den Workshops zeigen. Es wurde 1928 von Umbo (Anm. der Hrsg.: der Fotograf Otto Umbehr) aufgenommen und zeigt Josef Albers mit seiner Klasse. Die Studierenden stehen und sitzen erwartungsvoll um Albers herum, der gerade ihre Arbeiten begutachtet – viele verschiedene Skulpturen aus Papier. Es ist ein interessantes Foto, weil es mich darüber nachdenken lässt, wie es wohl gewesen sein mag, in seiner Klasse zu sein, und wie er unterrichtete. Ein Student erzählte, dass Albers eines Tages in die Klasse kam und sagte: „Wir haben nicht viel Geld. Wir haben nur dieses Material – ein paar Zeitungen. Machen Sie da etwas draus. Ich komme in drei Stunden zurück.“ Ich bin sicher, dass seine Studierenden zuerst ziemlich verwirrt oder verunsichert waren. Wir haben diese Aufgabe in einer Klasse versucht – auch wenn wir sie nicht drei Stunden lang allein ließen!
Wenn wir uns auf einer Zugfahrt kennenlernen würden, wie würdest du deinen Beruf erklären?
Das hängt davon ab, wie viel Zeit wir haben! [Lacht] Ich arbeite mit Ausstellungen und Museumsräumen. Ich interessiere mich für die Ideen und Methoden, die Kunstschaffende in ihren Arbeiten aufgreifen und verwenden. Zudem beschäftige ich mich damit, wie Museen für junge Menschen interessant und ansprechend gestaltet werden können. In diesem Zusammenhang denke ich darüber nach, welche Themen in einer Ausstellung angesprochen werden und wie relevant sie für unser Leben sind. Dann überlege ich, wie wir diese Themen und die künstlerischen Methoden auf kreative Weise untersuchen und reflektieren können. In der Kunstvermittlung und für mich persönlich ist Austausch besonders wichtig. Museen sollten ihre Nachbarschaft ansprechen und Barrieren abbauen. Es gibt viele Menschen, die unsicher sind, wenn es um Kunst geht, oder die sich in Museumsräumen nicht wohlfühlen.
Zum Abschluss: Für die Zukunft des BHA wünsche ich mir …
… eine fundierte Recherche darüber, welche Bedeutung das Museum für sein unmittelbares städtisches Umfeld hat. Und ich denke, es sollte mehr Formate geben, die für Menschen mit Behinderungen zugänglich sind.