Warum ich denke, dass die Welt auf diesen Podcast gewartet hat
Kunsthistorikerin und wissenschaftliche Mitarbeiterin Adriana Kapsreiter über die Magie des Gesprächs und das Making-of von about bauhaus, dem Podcast des Bauhaus-Archiv / Museum für Gestaltung.
Noch bevor ich überhaupt ahnte, dass es den Podcast about bauhaus jemals geben würde, schickte mir eine liebe Freundin und Wiener Psychologin einen Artikel aus einem englischsprachigen Magazin – mit dem Titel: „Why you shouldn’t start a podcast“. Meine Freundin ereiferte sich in der begleitenden Nachricht über dieses neumodische Phänomen „Podcast“ und darüber, dass jeder und jede ein Mikrofon in die Hand nehme, um den digitalen Raum mit Blabla zu füllen. Ich ließ ihre Nachricht unbeantwortet und den Artikel ungelesen – bis zu jenem Zeitpunkt hatte ich selbst noch nie einen Podcast gehört. Als Kunsthistorikerin, ganz auf visuelle Eindrücke gepolt, hatte mich das Medium bisher nicht tangiert, schließlich dachte ich damals, dass echtes Wissen immer noch nur zwischen zwei Buchdeckeln läge – und für alles andere gab es ja noch im Radio den Deutschlandfunk!
Währenddessen und noch ohne mein Wissen hatte unser Head of Communication Esned Nezic bereits seine Vision eines Bauhaus-Podcasts für unser Museum in den Blick genommen und war dabei, den Boden dafür zu bereiten. Entgegen meiner damals noch so altmodischen Sicht der Dinge war er längst in diesem Jahrtausend angekommen und wusste, wie sehr sich ein Podcast für die Wissens- bzw. Kunstvermittlung eines Museums anbietet – gerade wenn es um das Bauhaus geht, das doch bereits in den 1920er-Jahre Innovationen so offen gegenüber gestanden hatte. Esned Nezic wusste auch, dass ich über die Jahre in zahllosen Museums- und Stadtführungen, in Vorträgen und Workshops die Geschichte des Bauhauses und der Moderne vermittelt hatte und am Bauhaus-Archiv an einem Forschungsprojekt arbeite. Als er mit der Idee an mich herantrat, war ich anfangs unsicher: Die Vorstellung, die Welt mit noch mehr Blabla zu überfrachten, saß mir anfangs ungut im Nacken. Liegt nicht eine große Gefahr darin, die komplexe und immer wieder ambivalente Geschichte des Bauhauses in einem Podcast zu eindimensional und vereinfacht zu erzählen?
Mit wem könnte ich mich überhaupt sinnvoll und amüsant darüber unterhalten? Nur mit Professor*innen und Wissenschaftler*innen? Und mein größter Zweifel: Ist es nicht widersinnig, von einer Schule, die von künstlerischer Gestaltung lebte, nur mit Worten zu erzählen, ohne Bilder und Farben und Formen zu zeigen? Gute Gründe also für: „why you shouldn’t start a podcast“…
Nach Monaten der Arbeit und den ersten acht veröffentlichten Folgen von about bauhaus muss ich schmunzeln, wenn ich an meine anfänglichen Zweifel denke, die sich schnell in alle Himmelsrichtungen zerstreut haben. Was hat mich überzeugt? Die Geschichte des Bauhauses selbst! Eine Geschichte, die einerseits von so vielen historischen Ereignissen der Weimarer Republik geprägt ist und andererseits bis heute eine solche Faszination besitzt, dass sie noch immer Kulturschaffende und Künstler*innen aller Disziplinen beeinflusst. Eine Geschichte, die einen so bunten Blumenstrauß an Einflüssen, Ausdrücken, Haltungen, Meinungen und Emotionen aufweist, lässt sich doch besonders gut im ältesten Medium erzählen, das die Menschheit kennt: im Gespräch, im Dialog.
Dem Klischée auf der Spur
So vielschichtig und strahlend das Bauhaus heute noch immer ist, so zahlreich sind die Klischées und Missverständnisse, die das Phänomen Moderne und das Bauhaus begleiten. Für mich stand daher früh fest, dass der Podcast nicht einfach nur das populär gewordene Image des Bauhauses feiern würde, sondern stattdessen all die Ambivalenzen, Unschärfen und die Unzulänglichkeiten des Bauhauses offenlegen will. Wissenschaftliche Reflexionen über das Bauhaus mit Expert*innen und Spezialist*innen ist daher das eine Standbein von about bauhaus, also ein vertiefter Blick in die Geschichte, um mit Missverständnissen und Halbwahrheiten aufzuräumen. Das zweite Standbein stellen Gespräche mit zeitgenössischen Kulturschaffenden und Künstler*innen dar, um der Frage nachzugehen, ob und wie relevant das Bauhaus heute noch ist. Wir wollen also für den Podcast beides: eine Zeitreise in die Weimarer Republik und den Bau einer Brücke von den 1920er-Jahren ins Heute. Wir wollen das Bauhaus, diesen Mythos der Moderne, von möglichst vielen Projektionen befreien und uns darauf konzentrieren, was wir wissen.
Und wir wollen das Thema für ein möglichst breites Publikum öffnen, amüsant und sozusagen barrierefrei gestalten. Natürlich eignete sich nicht jedes Bauhaus-Thema gleichermaßen für unsere Ansprüche. Daher haben wir Schwerpunkte gesetzt, die man als „Bauhaus-Highlights“ bezeichnen könnte: Möbeldesign bzw. Inneneinrichtung, Ausbildung am Bauhaus und die Bauhaus-Feste waren die ersten drei Kapitel des Podcasts, zu denen ich je eine Expertin und eine Künstler*in eingeladen habe. Tatsächlich war es faszinierend zu sehen, wie viele unterschiedliche Kulturschaffende ihren jeweils eigenen Bauhaus-Bezug mitbrachten – natürlich hatten alle schon von der berühmten Schule gehört und waren gespannt darauf, im Gespräch mehr zu erfahren.
Ein gutes Gespräch ist eine lebendige Angelegenheit und man kann nicht wirklich vorhersehen, welchen Weg die Unterhaltung nehmen wird. Man kann ein gutes Gespräch nicht kontrollieren, es gibt schließlich immer so viele persönliche Komponenten, dass man nichts erzwingen kann. Wenn man allerdings das richtige Gegenüber hat, ist ein gutes Gespräch einfach und fließt dahin wie ein Bach. Eigentlich ein Allgemeinplatz, wie er im Kalender steht, aber doch ausschlaggebend für die Auswahl der Gäste: verschiedene Charaktere aus unterschiedlichen Richtungen und mit ihrer jeweils eigenen Perspektive – ohne den akademisch-elitären, überintellektuellen Habitus, der oft so oberlehrerhaft daherkommt. Für mich persönlich war besonders wichtig: bloß keine Universitätsvorlesungen!
Nachdem die Auswahl der Gäste einigermaßen feststand, habe ich viele Stunden damit verbracht, Gesprächsverläufe im Kopf durchzuspielen, dabei verschiedene Wege einzuschlagen und wie bei einer Schachsimulation zu analysieren, wohin die Reise gehen könnte. Ich habe recherchiert und Fotos zusammengetragen, Zitate ausgewählt und Vorgespräche geführt – bis mir meine Gäste live im Lichtenberger Studio von „Auf die Ohren“ gegenübersaßen.
Uli Hanisch, der für die Aufnahme extra von auswärtigen Dreharbeiten nach Berlin angereist war und die amüsantesten Geschichten über die 1920er-Jahre zu erzählen wusste. Meine Kolleginnen Kristin Bartels, Nina Wiedemeyer und Erika Babatz, mit denen ich nicht nur die ersten drei Spezialistinnen-Folgen aufnehmen durfte, sondern auch einen Video-Trailer, begleitet von viel Lachen und Bauhaus-Witzen. Sven Marquardt, dessen fast mystische, feinsinnige Präsenz nicht nur mich, sondern das ganze Aufnahmestudio verzaubert hat – und Jurassica Parka, die an einem heißen Sommertag in einem hinreißenden Pailettenkleid ins Studio kam und so charmant und unterhaltsam war, dass ich beim späteren Schnitt lange brüten musste, um eine Auswahl aus dem umfangreichen und so kurzweiligen Material zu treffen.
So viel kann ich nämlich noch über die Produktion des Podcasts verraten: Nach dem Vergnügen der Aufnahme des inspirierenden Gesprächs beginnt erst die eigentliche Arbeit. In mehreren Durchgängen erstelle ich dann zusammen mit meinem Aufnahmeleiter Niklas Münch und dem Team von „Auf die Ohren“ eine geschnittene Version der Unterhaltung, das konzentrierte Gespräch sozusagen. Es stellt sich nämlich heraus: Selbst im besten Gespräch gibt es manchmal ein bisschen Blabla – aber mit technischer Zauberei (und einer guten Menge Arbeit) wird daraus am Ende dann doch: die Magie des Gesprächs!