young bauhaus: Warum junge Perspektiven wichtig sind
Das Vermittlungsprojekt young bauhaus bietet jungen Menschen eine Plattform sich künstlerisch auszudrücken. Leah Pfeifer, FSJ-lerin am Bauhaus-Archiv von September 2023 bis September 2024, berichtet über das Projekt und das Einbeziehen von jungen Perspektiven.
Einem Menschen, den man gerade erst kennenlernt, Minuten lang direkt ins Gesicht zu starren, ist schon irgendwie unangenehm, dennoch beginnt das erste young bauhaus Treffen genau so. Jeweils zu zweit sitzen die Teilnehmenden zusammen und scannen das Gesicht ihres Gegenübers. Währenddessen bewegt sich der Stift auf dem Papier, aufs Blatt schauen ist verboten – wir zeichnen Porträts.
young bauhaus ist ein Vermittlungsprojekt, das Anfang 2023 von den FSJlerinnen Kato und Luisa ins Leben gerufen wurde. Jeden Mittwoch treffen sich seitdem junge kunstinteressierte Menschen im temporary bauhaus-archiv, um sich auszutauschen und gemeinsam an künstlerischen Projekten zu arbeiten. Die gezeichneten Porträts waren unsere erste Begegnung, jetzt sind wir eine Gruppe.
Warum young? Warum bauhaus?
Jungen Menschen eine Plattform und Ressourcen von Ort und Material zu geben, um sich künstlerisch auszudrücken, steht bei young bauhaus im Zentrum. Daher richtet sich young bauhaus gerade an Teenager und junge Erwachsene. Zugleich bietet es den FSJler*innen und Volontär*innen des Hauses selbst eine Plattform, um Ideen und Formate auszuprobieren. Denn da das Projektteam von young bauhaus seit der Gründung Anfang 2023 jedes Jahr mit der Ankunft neuer FSJler*innen wechselt, hat das Projekt jedes Jahr von neuem die Chance, diese Grundidee zu interpretieren, zu überarbeiten und zu erweitern.
Das historische Bauhaus war eine Schule, die durch ihre experimentellen Ansätze und neuen Ideen damals provozierte und heute noch zukunftsweisend ist. Wir orientieren uns an dieser Grundidee, indem wir einen Ort schaffen, an dem neue Ideen entstehen und ausgearbeitet werden können. Hierbei versuchen wir weder das historische Bauhaus wieder ins Leben zu rufen noch konkret historisches Wissen zu vermitteln. Dennoch bleiben wir thematisch bei Kunst, Design und Architektur sowie gesellschaftlichen Fragen, die uns als Gruppe beschäftigen.
Wer sind wir 2023/24?
Einige Plakate, Flyer und ein gelber Luftballon – mit dieser Ausstattung machten sich Lisa (zuständig für Barrierefreiheit und Diversität), Safaa (die zweite FSJlerin) und ich im Oktober 2023 auf den Weg zu einer Erstsemester-Veranstaltung der Universität der Künste, mit dem Ziel Teilnehmende für unser Projekt zu finden, denn im November 2023 soll young bauhaus mit neuer Besetzung in die zweite Runde gehen.
In den folgenden Wochen teilten wir unsere Aufrufe in WhatsApp-Gruppen und unter persönlichen Kontakten, wir fragten die Teilnehmenden des vergangenen Jahres und bewarben young bauhaus bei anderen Vermittlungsprojekten. Außerdem wurde der junge Designer Djamal als externe Begleitung Teil unseres Projektteams.
So erreichten wir Menschen, die normalerweise nicht zur gängigen Besucher*innenschaft des Bauhaus-Archivs gehören. Zeitweilig kommen sehr unterschiedliche Menschen bei unseren wöchentlichen Treffen zusammen.
FSJler*innen, Student*innen, oder Berufstätige – alle Teilnehmenden von young bauhaus haben einen anderen Zugang zu Kunst. Manche beschäftigen sich im Studium damit und möchten dies zu ihrem Beruf machen, andere sind in ihrer Freizeit Kunstschaffende. Die meisten scheinen sich in einer „Zwischenphase“ in ihrem Leben zu finden.
Wichtig war uns, eine Gruppe mit festen Mitgliedern zu werden. Wegen wechselnden Teilnehmer*innenzahlen war dies zunächst schwierig. Dennoch sind wir nach dem Hinzukommen der neuen Volontärin Sonja im April 2024 eine Gruppe mit 15 Personen.
Methoden und Alltag
Große Papierrollen, eine Sammlung von Zines, alte Ausstellungskataloge und in Einzelteile zerlegte Barbiepuppen – seit Anfang des Jahres sammeln sich diverse Gegenstände auf Safaas und meinem Schreibtisch im Büro über dem temporary bauhaus-archiv. Wenn der Mittwochnachmittag näher rückt, schleppen wir diese Gegenstände aus dem ersten Stock in den Ausstellungsbereich im Erdgeschoss, um young bauhaus vorzubereiten und die ersten Teilnehmenden willkommen zu heißen. Bei vielen Teilnehmenden finden die Treffen nach der Arbeit oder Uni statt, deshalb legen wir Wert auf eine entspannte Atmosphäre und beginnen die meisten Treffen mit spielerischen Übungen und Hintergrundmusik.
Das Projekt ist außerdem darauf ausgelegt, dass die Teilnehmenden als Gruppe agieren, weshalb viele unsere Treffen sich darum drehen, gemeinsam Ideen zu sammeln und Entscheidungen zu treffen.
Manchmal verbringen wir den ganzen Termin gemeinsam an zwei Doppeltischen und diskutieren. Bei anderen Terminen steht praktisches Arbeiten im Fokus: wir tätowieren Barbies, zeichnen Kekse, gestalten Plakate, falten Zines und bearbeiten Linoleumscheiben. An wieder anderen Tagen erkunden wir den Ausstellungraum und aktuelle Ausstellungen in Berlin.
Takeover – Ausstellung
Termin 25 – young bauhaus drängt sich um einen etwas zu kleinen Kaffeetisch. Auf einem unordentlich zusammengeklebten A3 Blatt werden kleine grüne Post-it-Fetzen mit Namen herumgeschoben, man könnte meinen, wir überlegen uns die Sitzordnung für eine sehr penibel geplante Hochzeit. Die Entscheidung, young bauhaus zu einer Gruppe mit festen Mitgliedern zu machen, ermöglicht im Rückschluss langfristige gemeinsame Projektarbeiten mit einer konkreten Zielsetzung.
Deswegen sind die Hälfte unserer young bauhaus Termine seit Anfang März gefüllt mit Fragen und Diskussionen über Konzepte und Überschriften, Einladungstexte, Raumdesign, Veranstaltungsplanung, Musik und Gästen. Wir planen eine Werkschau und statt uns nur, wie gewohnt, am Mittwochabend hinter geschlossener Tür zu treffen, präsentieren wir gegen Ende August unsere entstandenen Arbeiten zum ersten Mal vor einem größeren Publikum. Hierfür übernehmen wir ab dem 29. August für vier Wochen den Ausstellungsbereich des temporary bauhaus-archiv.
Dadurch haben wir nicht nur die seltene Chance, als wenig bis überhaupt nicht etablierte Kunstschaffende unsere Arbeit zu präsentieren, sondern auch die Möglichkeit, an einem großen Projekt voneinander zu lernen und über uns hinauszuwachsen.
In der Ausstellung präsentieren wir verschiedene Positionen unter dem Thema Identität und statt der starren Sitzordnung einer Hochzeit planen wir ein vielleicht fragiles Miteinander unterschiedlicher Ideen auf einer Ausstellungsfläche. Schauen wir mal, was wird.