Aussage mit Ansage
Sie wecken Aufmerksamkeit für Ausstellungen und sind selbst Sammlungsobjekte: Plakate erzählen vom Selbstverständnis und der Arbeit eines Museums – auch am Bauhaus-Archiv. Teil vier der Serie „Unsere Geschichte“ nimmt Sie mit auf eine erste Sichtung der Plakate-Sammlung von 1961 bis heute.
Im Bauhaus-Archiv belegt ein ganz besonderer Sammlungsbestand die rege Ausstellungstätigkeit des Hauses: In den 61 Jahren seit seiner Gründung hat das Bauhaus-Archiv / Museum für Gestaltung 250 Ausstellungen organisiert, im Schnitt vier Präsentationen pro Jahr. Jede dieser Ausstellungen wurde öffentlich mit einem Plakat und einem spezifischen Motiv beworben. Ein Exemplar jedes Plakats wanderte stets in die Sammlung des Bauhaus-Archivs. Die rund 250 Drucke bilden inzwischen selbst ein eigenständiges Konvolut, das bei näherer Betrachtung verrät, wie sich die Arbeit des Hauses von einem kleinen Archiv, dessen Arbeit vor allem von Freund*innen und Bekannten unterstützt und getragen wurde, hin zu einem modernen Museumsbetrieb entwickelt hat.
Alte Bekannte
In der Frühzeit des Bauhaus-Archivs in Darmstadt war der direkte Bezug zu den ehemaligen Studierenden und Lehrenden der Schule spürbar und man setzte selbstbewusst auf die Bekanntheit der Akteur*innen. So bewerben die zwei ersten Plakate – in einer Mischung aus Sparsamkeit und Stolz – die Ausstellungen ganz ohne Bild: Das erste, von 1961, trägt nur den Titel als markanten handschriftlichen Zug schwarz auf weiß: „Schawinsky New York“. Präsentiert wurde das Schaffen des inzwischen in der Schweiz lebenden, ehemaligen Bauhaus-Schülers und späteren Lehrers für Bühnengestaltung, Xanti Schawinsky (1904–1979), in der US-amerikanischen Großstadt. Zwei Jahre später suggeriert auf dem Plakat eines nicht dokumentierten Urhebers der nun zumindest rot gesetzte Name des ehemaligen Bauhaus-Lehrers Georg Muche (1895–1987) die Prominenz des fast 70-jährigen Künstlers, der zuletzt in Krefeld tätig war. Nicht nur kommen die Plakate ohne Bilder aus, auch ihr sogenanntes DIN-A2-Format, ist auffällig: Fast alle anderen Plakate sind im DIN-A1-, nur einzelne im größeren A0-Format.
Zur Jubiläumsausstellung „50 Jahre Bauhaus“ im Jahr 1968, die vom Institut für Auslandsbeziehungen unter Mitarbeit des Bauhaus-Archivs organisiert wurde, gestaltete ein prominenter Ehemaliger das Plakat. Er nutzte dabei die heute noch reflexhaft als für „das Bauhaus“ typisch angeführten Grundformen und -farben: Herbert Bayer (1900–1985), der von 1925 bis 1928 die in Dessau gegründete Druck- und Reklame-Werkstatt am Bauhaus geleitet hatte, dem das Bauhaus-Archiv sein Signet verdankte und der nun in New York arbeitete. Das Plakat war ein großer Erfolg und wurde nach der Auftaktausstellung im Württembergischen Kunstverein Stuttgart auch für die Stationen Paris, Barcelona, Chicago und Buenos Aires angepasst und prägte mit seiner Ästhetik die internationale Wahrnehmung des Bauhaus-Erbes.
Kurz nachdem das Bauhaus-Archiv 1972 in Berlin angekommen war, knüpfte Walter Heinz Allner (1909–2006), der von 1927 bis 1930 am Bauhaus studiert hatte und mittlerweile in den USA lebte, mit zwei Plakatmotiven unverkennbar an den Unterricht der Schule an. Die beiden abermals mit Grundformen und -farben arbeitenden Kompositionen „Bestände des Museums“ in den 1970er-Jahren und „Ausstellung im Neubau“ 1979 rufen die bekanntesten Gestaltungsübungen des Bauhauses in Erinnerung.
Ungebrochene Inspiration
Wie fundamental wichtig und identitätsstiftend Typografie und Grafik am und für das Bauhaus waren, spiegeln auch die Ausstellungsplakate seit den 1980er-Jahren wider. Insbesondere Arbeiten von László Moholy-Nagy, Joost Schmidt, Josef Albers und Herbert Bayer inspirierten die vom Bauhaus-Archiv beauftragten Gestalter*innen der nächsten Generation. So lassen sich einige Plakate direkt mit Bayers Plakat für die Ausstellung „Europäisches Kunstgewerbe“ im Grassimuseum 1927 in Leipzig und dessen charakteristischem Raster aus Quadraten und Buchstaben in Verbindung bringen. Auch seine zwischen 1925 und 1930 entwickelte Universal-Schrift für die Bauhaus-Kommunikation greifen aktuellere Plakate auf.
Zahlreiche Ausstellungsgestalter*innen spielten mit den historischen Bezügen, doch einzelne Grafiker*innen stechen allein durch die Anzahl der von ihnen für das Bauhaus-Archiv gestalteten Plakate hervor. Besonders trifft das auf das Berliner Designbüro Ott + Stein zu, das zwischen 1978 und 2004 von seinen Gründern Nikolaus Ott (geb. 1947) und Bernard Stein (geb. 1949) betrieben wurde und Kommunikationsmaterialien für zahlreiche Museen entwarf. Für das Bauhaus-Archiv schufen sie rund 20 Plakate, die den Blick im Stadtraum auf sich zogen, wie etwa mit der grafisch intelligent eingebetteten Aufsicht einer Kamera für die Ausstellung „Marta Hoepffner“ 1981, oder dem Motiv zur Sonderausstellung „Fotografie am Bauhaus“ 1990, das fotografisch-typografisch mit Schwarz-Weiß, Diagonalen, Blickrichtungen und Wahrnehmungsreihenfolgen spielt.
Zur Ausstellung „Experiment Bauhaus“ variierten die beiden 1989, thematisch passend, unterschiedlichste Typografien und Farben. Das Resultat ist ein entfernter Gruß an Bauhaus-Lehrer Joost Schmidts komplexes Plakat zur Bauhaus-Ausstellung 1923. Daneben entstanden elegante Objektplakate zu Malerei und Metallarbeiten und markante Motive mit Wiedererkennungseffekt, wie etwa eine Reihe menschenhoher Plakate aus dem Jahr 2003 mit den charakteristischen Shed-Dächern des Gropius‘schen Entwurfs für das Bauhaus-Archiv. Herbert W. Kapitzki (1925–2005), Professor an der Staatlichen Hochschule für bildende Künste Berlin, wiederum lieferte 1977 das Plakat zur Ausstellung „Kunstschul-Reform 1900-1933“, das an Joost Schmidts Entwürfe von Bauhaus-Druckmaterialien aus den 1920er-Jahren angelehnt ist.
Als 1987 die Jubiläumsausstellung zum „New Bauhaus“ ausgerichtet wurde, die einen Teil der künstlerischen Nachfolge in den USA beleuchtete, zeigte das Plakat von Gabriele Franziska Götz (geb. 1954) einen interessanten, doppelten Rezeptionsschritt: Es verbindet ein formal prägnantes Fotomotiv aus den späten 1930er-Jahren in Chicago mit einer an die Schrift des Bauhaus-Ausstellungskatalogs von 1923 erinnernden Type. Das Berliner Atelier Frank ging 2012 bei seinem Motiv für die Werkschau zur „Bauhäuslerin Benita Koch-Otte“ noch einen Schritt weiter und verwob Fotografie, Farbe, Rasterquadrate und Typografie zu einem dichten Gesamtbild, das auf die in der Ausstellung thematisierte Textilgestaltung verweist. Daneben nahmen einzeln ausgestellte Kunstschaffende die Plakatgestaltung bisweilen selbst in die Hand, wie Erik Spiekermann (geb. 1947), der 2011 mit seinem Motiv abermals das Raster – und seine Kunst „Spiekermann – schriftgestalten / the face of type“ – in den Vordergrund rückte.
Die Leerstelle
Der Mensch ist eigenartig abwesend auf den Plakaten des Bauhaus-Archivs. Sind es sonst in der Reklame die Gesichter, die beim Gang durch den öffentlichen Raum nach unserer Aufmerksamkeit schreien, hat das Museum in all den Jahren nur etwa ein Dutzend Menschengesichter auf seine Plakate gedruckt. Häufiger sind, in sachlicher Treue zum Sammlungsbestand des Hauses, Architekturdarstellungen oder klassische Gestaltungen, bei denen ein zentrales Ausstellungsstück die Fläche dominiert und die Informationen zur Ausstellung auf einem neutralen Hintergrund oder über das Motiv laufend erscheinen. Wieland Schütz (geb. 1938) war einer der wenigen Gestalter, der eine menschliche Figur ins Zentrum seines Plakats rückte. In den 1980er-Jahren zeigt er einen Menschen in symbolisch enger Verstrickung mit dem Bauhaus-Archiv: In Anlehnung an Oskar Schlemmers Bühnenfiguren steht er im Mittelpunkt der reichhaltigen Anknüpfungspunkte, die ihm das Gebäude und die Sammlungen des Hauses bieten. Auch Schütz’ Plakat zur Gropius-Ausstellung 1985 stellt die Person ebenbürtig neben ihr Werk.
Eine Marke entsteht
Neben den Ausstellungsplakaten bewerben Haus-, Veranstaltungs- und Sammlungsplakate das Bauhaus-Archiv / Museum für Gestaltung und verleihen ihm ein Profil im Stadtraum. Das Grafikbüro Doppelpunkt aus Berlin entwarf in den 1990er-Jahren ein auf Bayers Universal-Alphabet basierendes Hausplakat. Dieses Motiv wurde 1996 unter den „100 besten Plakaten“ ausgezeichnet, ebenso wie 2014 die Reihe der Sammlungsplakate der Agentur L2M3. Die auch für das allgemeine Kommunikationsdesign des Hauses zuständigen Grafikdesigner*innen aus Stuttgart kreierten eine 4-teilige Plakatserie zu Objekten aus der Sammlung, bei denen auf farblich ebenso reduzierten wie kontraststark typografierten Plakaten je ein prominenter Name mit einem prominenten Werk zu sehen ist – Sammlungs-Highlights wie der „Breuer-Sessel“ und die „Brandt-Teekanne“ wurden so zu Hausmarken für das Bauhaus-Archiv.
L2M3, Plakate mit Highlights aus der Sammlung des Bauhaus-Archivs
Trotz intensiver Recherche ist es uns leider nicht in allen Fällen gelungen, die Inhaber von Bild-und Fotorechten der abgebildeten Werke ausfindig zu machen. Eventuell bestehende Ansprüche werden selbstverständlich im Rahmen der üblichen Vereinbarungen abgegolten. Nicht genannte Rechteinhaber*innen können sich an redaktion@bauhaus.de wenden.