Dinge, die wir hinterlassen
Was und wie sammeln Museen? Ausgehend vom Nachlass Jak R. Maiers denkt Gloria Fock, wissenschaftliche Volontärin und kuratorisches Mitglied im Projektteam, über aktuelle Fragen der Sammlungsarbeit nach.
Eine wichtige Aufgabe von Museen ist es, auch unbekannte Künstler*innen sichtbar zu machen. Vor genau einem Jahr trafen wir uns erstmals, um uns Gedanken zu einer neuen Ausstellung im temporary bauhaus-archiv zu machen: genauer, über eine Präsentation des Nachlasses von Jak R. und Marianne Maier, der zu diesem Zeitpunkt noch in unserer Sammlung auf seine Erschließung wartete. Das Bauhaus-Archiv hatte den Nachlass überraschend im Jahr 2013 geerbt. Bisher war er der Öffentlichkeit jedoch verborgen geblieben. Beide Personen waren uns damals völlig unbekannt, was sich in den folgenden Monaten ändern sollte.
Das verborgene im Museum
Der Nachlass hatte sich bereits seit zehn Jahren in der Sammlung des Museums befunden und war in dieser Zeit durch viele Hände gegangen – vollständig erschlossen hatte man ihn jedoch noch nicht. Das Konvolut lagerte im Depot, Ordner mit Bildern auf unseren Servern dokumentierten den Bestand, hunderte von Dokumenten erzählten bereits von seinem Werdegang und den damit verbundenen diversen bürokratischen Abläufen. Obwohl bereits viel damit geschehen war, hatte die tatsächliche museale Aufarbeitung der Objekte noch nicht einmal begonnen: Die genaue Erfassung der einzelnen Werke in der Museumsdatenbank, die erneute konservatorische Sichtung und adäquate Umlagerung der Objekte und die Aufnahme professioneller Fotos lagen noch vor uns.
Das Bauhaus-Archiv ist aktuell geschlossen, viele unserer Abläufe geschehen damit im Verborgenen. Gleichzeitig ist ein Großteil der Museumsarbeit – auch in geöffneten Häusern – stets für das Publikum unsichtbar. Der Arbeitsalltag von beispielsweise Museolog*innen, Restaurator*innen, oder Archivar*innen ist vielen Menschen nicht bekannt. Wir wollen diese Prozesse in der Ausstellung Unpacking Jak R. Maier sichtbar machen: Die Besucher*innen können den Nachlass gemeinsam mit uns entdecken, erkunden, ihre eigenen Schlüsse daraus ziehen. Im Laufe der Ausstellung wollen wir mit Ihnen die Schritte einer Nachlass-Bearbeitung erleben und so die Abläufe transparent machen.
Die aktuelle europäische Gesellschaft bewegt sich zwischen Maximalismus und Minimalismus: Die einen huldigen dem Wachstum und häufen immer mehr Besitztümer an. Die anderen entrümpeln Haus und Leben und zelebrieren einen reduzierten Lebensstil. In diesem Spannungsfeld bewegen sich auch Museen. Angesichts der Ressourcenknappheit stehen alte Sammlungs- und Ausstellungspraktiken immer häufiger in der Kritik. Hat Sammeln ein Ende? Was ist wertvoll, was nimmt unnötig Platz weg?
Sichtbarkeit für einen vergessenen Künstler
Auch der Nachlass von Jak R. Maier konfrontierte uns mit diesen Fragen. Die frühesten Werke Maiers in unserer Sammlung stammen aus den 1960er-Jahren. Es sind seine Studienarbeiten. Maier zeichnete, erstellte Grafiken und Drucke. Vor allem aber fertigte er Metallskulpturen an. Seine Entwürfe, seine realisierten Werke und Arbeitsprozesse dokumentierte er durch zahlreiche Fotografien: Jak R. Maier wollte sichtbar sein. Er wollte nicht vergessen werden. Er war ein talentierter Künstler. Zu Lebzeiten wurden seine Werke aus- und einige seiner Skulpturen im öffentlichen Raum aufgestellt. Er lehrte an einer Kunsthochschule und teilte sein Wissen. Doch recherchiert man heute zu ihm, finden sich kaum Informationen keine Einträge in Künstler*innenverzeichnissen, kaum Spuren in Kunstarchiven. Für uns ist es daher wichtig, durch die Ausstellung an Jak R. Maier zu erinnern und eine neue Sichtbarkeit für diesen (fast) vergessenen Künstler zu schaffen.
In unseren Meetings und bei der Sichtung der Objekte sprachen wir oft von unserem eigenen Nachlass und unserem Umgang mit dem Thema. Wir stellten fest, wie universell und gleichzeitig persönlich die damit verbundenen Fragen sind. Wir alle besitzen Objekte, die uns etwas bedeuten oder von Wert sind. Aber was passiert mit diesen Dingen, wenn wir einmal nicht mehr sind? Geben wir unseren Nachlass weiter und hat er auch für andere einen Wert? Wer von uns hat sich damit überhaupt schon einmal beschäftigt? Oder zögern wir, weil über den Tod nur selten gesprochen wird, obwohl er uns doch alle betrifft? Häufig versuchen wir zu verdrängen, dass auch wir einmal sterben werden. Die Auseinandersetzung mit diesem Thema kann jedoch auch eine heilende Wirkung haben.
Mit der Ausstellung Unpacking Jak R. Maier möchten wir die Besucher*innen dazu inspirieren, Jak R. und Marianne Maier kennenzulernen und sich mit den unterschiedlichen Dimensionen der Ausstellung zu beschäftigen.