Der ideale Bauhauskünstler
Am historischen Bauhaus verbanden sich Kunst, Produktion und Lehre – gilt das auch für das Schaffen von Jak R. Maier? Kuratorin Nina Wiedemeyer über die Bezüge des Künstlers zum Bauhaus und einen Annäherungsprozess mit offenem Ausgang.
Fast kam es uns bei der Vorbereitung der Ausstellung so vor, als sei der Nachlass von Jakob aka Jak R. Maier ein gewitztes Kunstprojekt seiner Ehefrau Marianne Maier, mit geschickt platzierten und suggestiven Indizien: Im handschriftlich verfassten Testament von Marianne Maier begründete sie ihr Erbe an das Bauhaus-Archiv damit, dass ihr Ehemann der „ideale Bauhauskünstler“ gewesen sei. Seine Werke tragen die Signatur „Professor Universität der Künste”. Das Türschild mit dem Schriftzug „Metallwerkstatt“ legt nahe, dass es von der Werkstatttür zum Arbeitsplatz des Künstlers an der Berliner Kunsthochschule stammt. Doch ehemalige Kolleg*innen Maiers an der Universität der Künste bezweifeln auf unsere Nachfragen hin, dass er jemals wirklich dort vor Ort arbeitete.
Der ideale Bauhauskünstler
So klar Maiers Kunst daherkommt, mit strengen Konturen und Formen, so mysteriös bleibt seine Beziehung zum Bauhaus-Archiv Berlin und zu einem entscheidenden Teil seines Berufslebens. Von unseren Kolleg*innen kann sich niemand an den Künstler oder an eine Verbindung zu ihm erinnern. Vor unserem Ausstellungsprojekt ist das Internet beim Thema Jak R. Maier blank. Im Hochschularchiv der Universität der Künste finden sich Akten zum Vorgang der Berufung Maiers zum Professor. Spuren seines Lebens sind dort bürokratisch dokumentiert. Meinte Marianne Maier mit dem „idealen Bauhauskünstler“, die abstrakte Formensprache im Werk, die Kombination aus Kunst und einer an Technik und Handwerk ausgerichteten Lehre? Am historischen Bauhaus gab es eine Metallwerkstatt, die von einem Künstler und einem Handwerker geleitet wurde. Die Studierenden wurden technisch wie künstlerisch ausgebildet.
Von der Lehre Maiers jedoch, der selbst gelernter Kunstschmied war, ist uns nichts erhalten. Das Archiv der Universität der Künste verwahrt keine Lehrkonzepte, sondern Personalakten. Was und wen Maier unterrichtet hat und nach welchen Methoden, ob er streng war oder mürrisch, ob er begeistert davon war, Projekte mit Studierenden umzusetzen oder sein Wissen für sich behielt, wissen wir nicht. Maiers Lehrtätigkeit hat keine materiellen Spuren hinterlassen. Das spricht für den geringen Wert, den die Kunstbranche dem Unterricht beimisst, nicht nur im Falle Maiers. Ob Dokumente aus seiner Lehrtätigkeit verschwanden oder Maier sie selbst nie aufbewahrt hat, wissen wir nicht. Sichtbar ist aber, dass er seine Kunst sehr penibel archivierte – bis zurück in die Zeit seiner eigenen Ausbildung.
Raum für Unvorhersehbares!
Übertreten Dinge die Schwelle des Museums, gelten nicht mehr die Regeln des Lebendigen, sondern die der Bewahrung. Mit lebendig meine ich: Menschen und Dinge sind fragil, in steter Veränderung. Museen versuchen, die Prozesse des Verfalls – mit erheblichem personellen wie energetischem Aufwand – einzudämmen, aufzuhalten und zu kaschieren. In Museen gelten daher strikte Kontaktbeschränkungen zwischen Mensch und Objekt. Im Falle Maiers: Welchen Wert haben Kunstwerke für uns, die mit dem Bauhaus (nur) durch den letzten Willen seiner Frau in Verbindung stehen? Welche Ressourcen sollen wir für deren Bewahrung aufwenden? Diese Fragen führten uns zu einem Projekt, das dem Ungeklärten Raum gibt.
Für mein kuratorisches Tun bedeutet das, Luft für Spontanität zu lassen und die Freude am gemeinsamen Entwerfen – wie auch am Verwerfen – zu teilen. Das Projekt basiert auf einer starken Zusammenarbeit zwischen Kurator*innen und Gestaltern. Die Spontanität nehmen wir mit in die Laufzeit der Ausstellung: Mit jedem unpacking (begleitende Veranstaltungsreihe, Anm. d. Red.) verändert sie sich. Die Gestalter werden die Gespräche beobachten, um Erkenntnisse in Präsentationsformen zu übersetzen. Es war ein entscheidender Moment im Projektprozess, den Nachlass nicht als schon bearbeitet und bereits bewertet zu verstehen und auf die Präsentation von Kunstwerken hinzuarbeiten. Vielmehr machen wir einen Arbeitsstand sichtbar. Das überraschende Erbe war auch ein Anlass, um über den gesellschaftlichen Auftrag des Bewahrens nachzudenken: Wo wollen wir unsere Ressourcen investieren? Ich sehe den Diskurs um offene Prozesse und um lebendige Mitbestimmung als museale Kernaufgabe.